Prof. (DHfPG) Dr. Thomas Wessinghage mit Patienten beim Laufen
Expertentipps bei Langstreckenläufen

Langstreckenlauf
mit Spass ans Ziel

Ob 10-km-Lauf, Halbmarathon oder die Königsdisziplin Marathon: Lange Distanzen verlangen Athleten alles ab – doch schon die Vorbereitung darauf erfordert einen langen Atem. Prof. (DHfPG) Dr. Thomas Wessinghage, Ärztlicher Direktor vom Medical Park Bad Wiessee St. Hubertus  und Facharzt für Orthopädie, Physikalische und Rehabilitative Medizin und Sportmedizin, gibt Ihnen wertvolle Tipps, um Langstreckenläufe erfolgreich zu bewältigen – mit der Erfahrung als Mediziner und vielfach ausgezeichneter Ex-Leichtathlet.

Laufen macht nicht nur richtig viel Spaß – wer regelmäßig die Joggingschuhe schnürt, der kann von vielen positiven Effekten profitieren. Dazu zählen unter anderem ein gestärktes Herz-Kreislauf-System, belastbarere Knochen und Gelenke, eine höhere Stressresistenz, kräftigere Abwehrkräfte und ein verbesserter Stoffwechsel. Also einfach Laufschuhe an und los? Besser keine falsche Hast. Das kann besonders am Anfang gefährlich werden. Bevor man in die Trainingsvorbereitung für einen Langstreckenlauf einsteigt, empfiehlt Prof. (DHfPG) Dr. Thomas Wessinghage einen Besuch beim Arzt.

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Welche medizinischen Voruntersuchungen sollten vorab unternommen werden?

Um kardiale Vorerkrankungen ausschließen zu können, sollten ein Ruhe- und ein Belastungs-EKG durchgeführt werden. Wichtig ist auch die Messung des Blutdrucks bei Ruhe und Belastung: Damit wird der Druck ermittelt, den das Blut auf die Wände der Blutgefäße ausübt. Darüber hinaus ist eine Laktatmessung sinnvoll. So werden die momentane Ausdauerleistungsfähigkeit sowie die ideale individuelle Belastungsherzfrequenz festgestellt. Auf Basis dieser Werte kann man das Vorbereitungstraining effizient gestalten.

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Schmerzfrei zu laufen hat oberste Priorität. Wie kann man das gewährleisten?

Empfehlenswert ist an dieser Stelle eine Laufstilanalyse, in der sich Fehlbelastungen offenbaren. Ziel ist es, die Bewegungsabläufe (u.a. Fußaufsetzverhalten, Armführung, Becken- und Rumpfstabilisierung) beim Laufen zu optimieren, damit langfristig Schädigungen vorzubeugen.

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Gibt es weitere Voruntersuchungen, die relevant sind?

Mit einem Muskelfunktionstest lassen sich Schwachstellen einzelner Muskeln bzw. Muskelgruppen ermitteln. Hat man diese erst einmal lokalisiert, kann man mit einem individuellen Krafttrainingsprogramm daran arbeiten. Dadurch lässt sich das Verletzungsrisiko senken und man erhält sich den Spaß am Laufen.

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Sollten diese Untersuchungen während der Trainingsvorbereitung wiederholt werden?

Im Trainingsprozess müssen Kontrollen fester Bestandteil sein. Etwa alle drei Monate würde ich den Laktattest wiederholen, um die Trainings-Herzfrequenz anzupassen und Fortschritte im Trainingsprozess zu sichern. Nur so kann man die eigene Leistungsfähigkeit optimieren, ohne dass es auf Kosten der Gesundheit geht.

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Sportler bei der Medizinischen Voruntersuchung

VORBEREITUNG AUF LANGSTRECKEN
MOTIVATION IST KEIN SELBSTLÄUFER

Das Außergewöhnliche erfahren, erleben, bewältigen – dieser Wunsch treibt wahrscheinlich die meisten Läufer zur Langstrecke. Es ist etwas ganz Einzigartiges, in Berlin, New York oder London gemeinsam mit Zehntausenden von anderen Läufern einen City-Marathon zu laufen. Besonders reizvoll daran: Bei vielen Sportarten steht man im etwas höheren Alter schnell im Abseits. Einen Langstreckenlauf dagegen kann man dagegen trotzdem meistern und gleichzeitig genießen. Wenn allerdings eine Knie- oder Hüftgelenksprothese implantiert worden ist, würde Thomas Wessinghage von Belastungen wie einem Marathonlauf abraten. Gleichwohl kann man sich auch mit einer Gelenkprothese  angemessene sportliche Ziele setzen und sie auch erreichen.

Dafür muss man nur eines tun: Durchhalten! Denn schon bei der Vorbereitung ist Ausdauer gefragt. Der erfolgreiche Langstreckenlauf beginnt nämlich in Wirklichkeit bereits lange vor dem eigentlichen Start. Wer 10 Kilometer bewältigen möchte, sollte etwa 3 Monate Zeit einplanen. Für einen Halbmarathon nimmt die Vorbereitungszeit ungefähr sechs Monate in Anspruch und der erfolgreich gelaufene Marathon startet oft ein Jahr vorher oder sogar noch früher.

Für Gesundheits- bzw. Breitensportler sind drei bis fünf Trainingseinheiten pro Woche nach ausreichender Eingewöhnung problemlos erreichbar, bei einem Wechsel zwischen moderater und intensiver Trainingsbelastung. Ganz wichtig: Es muss auch Zeit für die Regeneration bleiben. Das ist nur eine der Tücken, über die man bei der Vorbereitung auf einen Langstreckenlauf stolpern kann.

Die häufigsten Trainingsfehler bei Läufern

  • Sich selbst zu sehr unter Zeitdruck setzen
  • Unstrukturiertes Vorgehen
  • Mangelnde Dokumentation der absolvierten Trainingseinheiten
  • Unzureichende Ausrichtung des Trainings auf den geplanten Wettkampf
  • Zu wenig Variabilität (keine Angst vor Alternativsportarten)

Thomas Wessinghage rät ambitionierten Läufern auch während des Wettkampfes zu Geduld mit sich selbst: „Haben Sie auch keine Angst vor kleinen Pausen, wenn der Bewegungsapparat mal streikt oder ein kleines Leistungstief überwunden werden muss. Eine Gehpause oder Dehnübungen zur Linderung können Wunder wirken. Wenige Minuten später geht es oft schon viel besser.“

Auch der längste Lauf beginnt mit einem kleinen Schritt.

Prof. (DHfPG) Dr. Thomas Wessinghage, Ärztlicher Direktor und Facharzt für Orthopädie, Physikalische und Rehabilitative Medizin und Sportmedizin

GEFAHREN BEI LANGSTRECKENLÄUFEN
EXPERTENTIPPS FÜR GESUNDES LAUFEN

Einfach einen Schritt vor den anderen setzen. So simpel dieser Bewegungsablauf zunächst erscheint, so monoton ist auch die Belastung, die er mit sich bringt. Dabei gibt es einige wichtige Körperpartien, die Läufer häufig in ihrem Training vergessen: Dazu zählen insbesondere der Rücken, die Schulterpartie, Hüftmuskulatur sowie die Sprunggelenke und die Fußsohlen. Thomas Wessinghage verrät, welche Folgen das mit sich bringen kann und wie man diesen am besten vorbeugt.

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Gibt es bestimmte Verletzungen, die bei der Vorbereitung auf einen Langstreckenlauf öfter auftreten?

Rückenschmerzen, Achillessehnenprobleme und Knieschmerzen gehören zu den Beschwerden, von denen ein Läufer häufiger betroffen ist.

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Wie kann man da am besten vorbeugen, damit es gar nicht erst so weit kommt?

Am wichtigsten ist das begleitende Muskeltraining (z. B. Kräftigung, Stretching) zum Ausdauertraining. Auch dem Laufstil und den Laufschuhen sollte man besondere Aufmerksamkeit schenken. Oberste Priorität hat dabei allerdings immer eines: Wer nicht gesund ist, darf nicht laufen! Und wer sich unterwegs nicht wohl fühlt, muss das Tempo reduzieren oder aufhören. Kein Lauf ist so wichtig, dass er gesundheitliche Risiken rechtfertigen würde. Denn eine andere Veranstaltung für den nächsten Versuch kommt ganz bestimmt.

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Was empfehlen Sie zur Kräftigung der Muskeln?

Die Auswahl der Übungen zur gezielten Muskelkräftigung muss individuell erfolgen – zum Beispiel auf Basis der Ergebnisse des Muskelfunktionstests beziehungsweise der Laufstilanalyse. Das Muskeltraining ergänzt dann das Lauftraining mit zwei bis drei Einheiten pro Woche. Letzten Endes ist es genau so ein individuell abgestimmter Trainingsplan, der optimal auf das persönliche Ziel vorbereitet.

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Der große Tag ist da – gibt es besondere Gefahren, mit denen man als Läufer in der Wettbewerbssituation konfrontiert wird?

Das gesundheitliche Risiko läuft bei Langstreckenwettbewerben immer latent mit. Dabei spielt nicht nur die Laufdistanz, sondern auch die Persönlichkeitsstruktur des Läufers eine entscheidende Rolle: Wie geht man mit Ermüdung, Schmerzen oder den Anzeichen einer drohenden Gefahr wie beispielsweise Unwohlsein, Schwindel oder Kopfschmerz um? Verdrängt man die Symptome oder hat man genug Zivilcourage, das Tempo zu reduzieren, oder sogar stehen zu bleiben? Oder um es ganz plakativ zu sagen: Laufen Sie nur gesund! Wer nicht gesund ist, darf nicht laufen. Die nächste Veranstaltung kommt bestimmt.

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Gezieltes Krafttraining zur Vorbereitung auf Langstreckenläufe

LEBENSSTIL: LÄUFER
LEBENSGEWOHNHEITEN UMSTELLEN ODER NICHT?

Wenn man sehr viel Zeit in die Trainingsvorbereitung auf einen Langstreckenlauf investiert, kommt schnell die Frage auf: Kann ich noch mehr tun, um meine Leistung zu verbessern? Eine zusätzliche, leistungsorientierte Umstellung der Lebensgewohnheiten halten Thomas Wessinghage und das American College of Sports Medicine (ACSM) erst ab sechs Stunden Trainingszeit pro Woche für erwägenswert. Unterhalb dessen handelt es sich per definitionem um Freizeitsport. Dabei profitiert der Organismus ganz enorm vom höheren Bewegungsumfang. Auf lange Sicht zahlt sich allein ein solcher, bewegungsorientierter Lebensstil immer aus. Achten Sie zusätzlich auf:

  • Ausreichend Schlaf: Geben Sie dem natürlichen Schlafbedürfnis nach. In Ruhephasen regeneriert sich der Körper von der Anstrengung des Trainings.
  • Gesunde Ernährung: Achten Sie auf eine gesunde Mischung aus Kohlenhydraten, Fetten und Eiweißen. In unserem active-Magazin finden Sie dazu viele gesunde Rezeptideen.
  • Genügend trinken: Mindestens    1,5 Liter am Tag benötigt der Mensch ohne körperliche Belastung. Bei Hitze kann sich der Bedarf um 0,5 bis 0,8 Liter pro Stunde erhöhen.

Ein bewegungsorientierter Lebensstil, gute Ausdauerleistungsfähigkeit und eine kräftige Muskulatur sind die Basis für Erfolg im Laufsport – und ganz allgemein für Gesundheit und hohe Lebensqualität. Alles, was Sie jetzt nur noch tun müssen? Ziele setzen, Training durchziehen und den Spaß am Laufen genießen!